Liköre selbst gemacht...
Doch eine Erweiterung des häufig zu hörenden Zitats möchte ich sogleich vornehmen:
Likör ist ein Lebenselixier und dessen Herstellung für viele ein genussreiches Hobby. Immer, wenn sich die Gelegenheit ergibt, zum Beispiel wenn frische, regionale und saisonale, saftreiche Früchte auf dem Markt zur Verfügung stehen oder wenn aromatische Kräuter im Garten oder auf der Terrasse gedeihen, ist die Gelegenheit, das Elixier des Lebens – ganz nach eigenem Geschmack und eigenen Vorlieben – anzusetzen.
Der Lohn dieser angenehmen Arbeit winkt meist allerdings erst nach einigen Wochen, wenn die Ansatzliköre schön abgelagert und geklärt sind, die Fläschen ein ansprechendes und selbstkreiertes Etikett tragen und die neugierigen Gäste sich versammelt haben.
Ich bin vor zirka 3 Jahren zur Likörherstellung gekommen, nachdem meine damalige Buchhalterin – eine waschechte, gebürtige Eichsfelderin – auf einer Betriebsweihnachtsfeier unserer Abteilungsleiter ihre außergewöhnlichen Köstlichkeiten in der Tasche hatte. Diese gehörten fortan zur Grundausstattung einer jeden Abteilungsleiterfeier.
Im Eichsfeld ist die Likörherstellung historisch bedingt sehr ausgeprägt. Sie ist neben den Spezialitäten der „Eichsfelder Wurst“ und der noch viel praktizierten Hausschlachtung ein weiteres, ausgeprägtes Hobby der Eichsfelder.
„Man sammle Flaschen, wo immer man sie herbekommt. Je schöner die Formen, umso besser, denn eine ansprechende Form erhöht den Genuss!“
„Geistlosen“ Likör gibt es nicht!
Ein Likör ohne Alkohol ist undenkbar. Er wäre ein Nichts und würde niemandem Spaß machen. Erst durch diese im wahrsten Sinne berauschende Ingredienz erhält der Likör seine anregende, seine Geist und Sinne beflügelnde Eigenschaft. Gewiss, Alkohol kann auch gefährlich werden, wenn er im Übermaß genossen wird, doch Likör ist durch sein Wesen eigentlich schon so angelegt, dass man kaum größere Mengen – wie etwa bei einem klaren Schnaps, bei Wodka oder Korn – davon trinken kann.
Der „sättigende“ Effekt, gegeben durch den meist recht hohen Zuckergehalt, verhindert ziemlich sicher, dass man mit Likör – um es einmal umgangssprachlich auszudrücken – einen über den Durst trinkt (wobei Ausnahmen auch hier, wie überall im Leben, die Regel nur bestätigen).
Likör ist eben ein ganz besonderer „Saft“. Wie viel Alkoholprozente nun ein Likör haben sollte, richtet sich ganz nach seiner Art. Hierzu später mehr.
Was ist eigentlich Alkohol und wie gewinnt man ihn? Siehe hierzu
Alkoholberechnung
Die Fachbezeichnung für Reinalkohol ist „Primasprit“, doch außer dieser Standardqualität gibt es noch eine „Luxusausführung“, die als extra fein filtrierter Sprit, auch „eff-Sprit“ genannt, auf den Markt kommt. Diese Sorte wird besonders intensiv mehrfach über Holzkohle gefiltert. Doch man kann davon ausgehen, dass beide Sorten immer gleichbleibend völlig neutral sind und auch immer über 96,4 Gewichtsprozente Alkohol aufweisen.
In der Praxis und bei den Deklarationen auf den Etiketten aller Spirituosenflaschen spricht man allerdings von „Volumenprozenten“ (= Vol.%). Was ist nun der Unterschied? Da Alkohol ein geringeres spezifisches Gewicht als Wasser hat, nimmt er auch einen größeren Raum ein, als eine gleichschwere Menge Wasser. Ein Liter 40 Vol.%igen Korns hat demnach tatsächlich nur 334g reinen Alkohol und dieser Alkohol beansprucht in dem Liter Flüssigkeit einen Raum von 400 Kubikzentimetern = 40 %.
Um den Alkoholgehalt eines Getränks zu berechnen, sind folgende Angaben nötig:
die Menge des Getränks in ml
der Alkoholgehalt in Volumenprozenten (Vol.-%)
das spezifische Gewicht des Alkohols: 0,8g/cm³
Die Formel zur Berechnung des Alkoholgehalts lautet:
Menge in ml x (Vol.-% / 100) x 0,8 = Gramm (g) reiner Alkohol
Doch soweit brauchen wir eigentlich nicht in die Methoden der Alkoholberechnung einzusteigen.
Der Primasprit oder eff-Sprit hat jedenfalls garantiert immer 96,4 Vol.-% Alkohol. Diese von der Monopolverwaltung angebotenen Produkte werden in Apotheken und Drogerien unter dem Begriff „Spiritus“ (zu Heilzwecken) – nicht zu verwechseln mit dem ungenießbaren „Brennspiritus“ – verkauft. Früher nannte man sie auch „Weingeist“. Ich spreche in den Rezepturen immer von Alkohol. Wenn Ihr diesen Begriff lest, dann wisst Ihr, dass der staatl. kontrollierte Sprit mit 96 Vol.-% gemeint ist.
Der Zucker im Likör
Genauso wenig wie es einen Likör ohne Alkohol gibt, wird man einen ohne Zucker oder Honig finden. Zucker muss sein, er verleiht dem Likör seine Lieblichkeit und macht ihn harmonisch und – wenn man eine spezielle Zuckersorte verwendet – auch dickflüssig. Im Wesentlichen genügt bei unserer häuslichen Likörbereitung der in jedem Lebensmittelgeschäft erhältliche Raffinadezucker. Allerdings ist es in jedem Fall besser, diesen vor der Verwendung in Wasser zu lösen, da er sich in Alkohol/Fruchtsaft-Mischungen zum Beispiel nur mühselig auflösen lässt. Diese Zuckerlösung nennt sich fachlich „Läuterzucker“. Bei dieser Lösung haben wir gleich noch die Gelegenheit, ihn von etwaigen vielleicht noch vorhandenen Verunreinigungen (die unseren Likör trüben könnten) zu befreien.
Die Standard-Zuckerlösung
Nur zu einer gewissen Menge ist Zucker in Wasser lösbar, und zwar gänzlich unabhängig von der Temperatur des Wassers. Danach tritt eine Sättigung ein und der restliche Zucker wird in Kristallform verbleiben oder bei weiterer Abkühlung der Flüssigkeit wieder auskristallisieren. Die folgenden Zahlen mögen dies verdeutlichen:
Bei 100°C benötigt man nur 0,21l Wasser, um 1 kg Zucker zu lösen, bei 40°C schon die doppelte Menge Wasser, und wenn das Wasser eiskalt ist, braucht man sogar 0,56 l für 1 kg Zucker. Doch zum Glück ist das Auskristallisieren durch einen einfachen Vorgang zu vermeiden, und wir können auch ziemlich hohe Zuckerkonzentrationen bei jeder Temperatur flüssig halten. Dieser Trick heißt in der Fachsprache „Inversion“, und es ist eine chemische Umwandlung, bei der aus unserem handelsüblichen Zucker Trauben- und Fruchtzucker wird. Der „Invertzucker“ wird folgendermaßen hergestellt:
Wassermenge vor dem Abkochen |
Zuckermenge |
Wein- oder Zitronensäure |
Endmenge des Zuckersirups |
0,2 l |
500 g |
0,5 g |
0,5 l |
0,45 l |
1000 g |
1,0 g |
1,0 l |
0,65 l |
1500 g |
1,5 g |
1,5 l |
0,85 l |
2000 g |
2,0 g |
2,0 l |
1,10 l |
2500 g |
2,5 g |
2,5 l |
1,30 l |
3000 g |
3,0 g |
3,0 l |
Man misst die in der obigen Tabelle angegebene Wassermenge ab, gibt den Zucker dazu und bringt diese Mischung unter Rühren zum Kochen. Dann, wenn der Siedepunkt erreicht ist, kommt die in etwas Wasser aufgelöste Wein-/Zitronensäure dazu. Wein- & Zitronensäure erhaltet ihr in Pulverform für wenig Geld in der Apotheke oder gut sortierten Lebensmittelmärkten. Wenn die Lösung im kochenden Zucker ist, noch genau 10 Minuten ganz leicht unter ständigem Rühren kochen lassen. Wenn der Zucker zu stark kocht, kann er karamellisieren. Er verliert dann an Süßkraft, erhält durchaus angenehme neue Geschmacksstoffe, und man könnte ihn bei sehr starker Karamellisierung zum Färben verwenden. Doch das ist ein Thema für sich. Im Augenblick wollen wir ja nur einen normalen Zucker zum Süßen erhalten.
Falls sich beim Kochen ein schmutziger Schaum bildet, so hebt man ihn mit einer Schaumkelle ab. Meist ist aber die heutige Raffinade so sauber, dass keinerlei Verunreinigungen im Schaum feststellbar sind. Die fertig gekochte Zuckerlösung wird nun (am besten, nachdem sie ein wenig abgekühlt ist, denn sie ist gefährlich heiß) mit heißem Wasser im Messbecher auf genau die in der Tabelle angegebene Endmenge aufgefüllt. Man kann dies auch im Kochtopf tun. Ein Trick dazu: vorher einen Stab in den Kochtopf halten, z.B. einen Schaschlikspieß o.ä., und beim Einfüllen von 0,5; 1,0; 1,5 Liter oder anderen gewünschten Mengen Wasser, Striche an dem Stab anbringen. So kann man später die genauen Mengen gleich im Kochtopf feststellen ohne umfüllen zu müssen.
Natürlich könnte man jedes andere beliebige Verhältnis von Wasser und Zucker (auch ohne zu messen) so abkochen, doch diese Maße sind in der Likörindustrie üblich, weil hierbei pro Liter Lösung genau 1 kg Zucker enthalten ist. Dadurch kann man später den Zuckergehalt im Likör bestimmen. Das muss zwar bei der häuslichen Likörbereitung nicht sein, aber warum sollte man auf diese einfache Möglichkeit verzichten? Außerdem ist die hohe Zuckerkonzentration eine Sicherheit für die längere Haltbarkeit der Lösung. Wer will, kann jetzt noch den fertigen Sirup durch ein sauberes Leinentuch filtern (das kann einige Zeit in Anspruch nehmen) und dann in Flaschen abfüllen. Da man aber meist den fertigen Likör filtert, ist dieser Arbeitsgang nicht unbedingt erforderlich.
In meinen Rezepten heißt diese Zuckerlösung der Einfachheit halber „Zuckersirup“. Sie ist nicht zu verwechseln mit dem „Glukosesirup“, den wir jetzt abhandeln werden.
Zuckerersatz
Ein Problem gibt es für jene Likörfreunde, die streng kalorienbewusst leben wollen oder die zuckerkrank sind und Zucker – in welcher Form auch immer – nicht verzehren wollen oder dürfen. Es gibt zwar eine Reihe von Zuckeraustauschstoffen, doch da Zucker ja auch Volumen im Likör füllt und eine gewisse Sämigkeit abgibt, kann man ihn kaum mit ein paar Tropfen „Süßstoff“ ersetzen.
Weiterhin ist in den meisten Fruchtsäften soviel Fruchtzucker enthalten, dass auch sie von vornherein für die Likörherstellung bei strenger Diät nicht in Frage kommen. Am leichtesten wird man noch bei Kräuterlikören eine Möglichkeit finden, Zucker durch einen geeigneten Austauschstoff zu ersetzen. Speziell bei den ganz bitteren Sorten spielt Zucker dann auch nicht mehr die große Rolle. Diabetiker sollten aber in jedem Fall vorher mit ihrem Arzt sprechen, ehe sie sich Likör herstellen.
Aroma, Bukett und Farbe
Wir haben von der Dreieinigkeit im Likör gesprochen und nachdem Alkohol und Zucker an der Reihe waren, ist es nun an der Zeit, den dritten und ebenso wichtigsten Bestandteil zu behandeln. Allerdings ist das nicht ganz so einfach, denn hier gibt es Ingredienzien aus vielen Bereichen unserer heimatlichen oder auch aus fremden Naturen. Da gibt es Gewürze, Kräuter (frisch oder getrocknet), Beeren, Blätter, Samenkörner, Wurzeln, Blüten, Mark, ja sogar Harze; da verwendet man natürlich die schmackhaften und aromastarken Fruchtsäfte; erwähnen wir auch Kaffee, Kakao, Tee, Eier, Nüsse, Milch. Alles dient dazu, Likören den Charakter zu geben, die eigene Art. Durch Zucker und Alkohol allein kann ja noch kein Likör entstehen.
Vielfach werden die Zutaten direkt vor der Haustür im Garten wachsen, und die Likörbereitung bietet einen wunderbare Gelegenheit, z.B. Säfte auf elegante Weise in den Winter zu bringen. Andererseits sind viele Kräuter und Drogen (Rinden, Kräuter, Beeren, Blätter, Samenkörner, Wurzeln, etc.) so selten, dass wir sie in der Apotheke oder dem gut sortierten Reformhaus beschaffen oder in speziellen Versandgeschäften beschaffen müssen. In jedem Fall haben wir genügend Auswahlmöglichkeiten, die herrlichsten Liköre zu brauen, nach Rezept oder nach eigenen Ideen. Man sollte ruhig auch mal mutig sein und neue Wege beschreiten, die eine Zutat vielleicht gegen eine andere austauschen, eine Menge verändern. In diesen Fällen ist es sicher besser, nicht gleich zuviel anzusetzen, denn gerade der Alkohol ist doch recht teuer, und wer gießt schon gerne im Falle eines Fehlschlages einen Liter davon in den Abfluss. Man kann auch sehr kleine Mengen ansetzen und nach einem Probegläschen weiß man, ob das Werk gelungen ist und ob es sich lohnt, gleich für die ganze Verwandtschaft ein paar Flaschen davon herzustellen.
Früchte
Die größte Bedeutung, auch unter den Industrieprodukten, haben neben den Kräuterlikören die Fruchtsaft- oder Fruchtaromaliköre. Damit haben wir auch schon die beiden hauptsächlichen Unterscheidungsmerkmale erwähnt. Wie der Name schon sagt, werden in einem Fall die Fruchtsäfte verwendet, im anderen nur die Aromen. Wollt ihr die gesetzliche Definition dafür wissen? Fruchtsaftliköre sind Spirituosen, in denen der Saft derjenigen Fruchtarten, nach denen die Liköre benannt sind, als wesentlicher geschmacksbestimmender Anteil enthalten ist. Der Gehalt an Fruchtsaft der namengebenden Frucht beträgt je 100 l Likör mindestens 20 l. Damit hättet ihr auch fast die Rezeptur: Ein Schuss Fruchtsaft, ein Schuss Zuckerlösung und ein Schuss Alkohol. Nun, ganz so einfach ist es auch nicht.
Schon bei der Herstellung der Fruchtsäfte muss man einiges beachten. Am besten sind vollreife, hocharomatische Früchte, die jedoch noch keinerlei angestoßene oder schlechte Stellen haben dürfen. Eventuell muss man diese entfernen. Den Saft kann man auf verschiedene Weis herstellen. In jedem Fall sollte man aber dabei beachten, dass er möglichst schnell weiterverarbeitet wird, denn je halbe Stunde Berührung mit dem Sauerstoff der Luft bedeutet Vitamin- und Aromaverlust. Außer drei Methoden zur Saftgewinnung zeige ich auch drei Arten der Haltbarmachung auf. Wer seine Säfte allerdings gleich verarbeitet, braucht sich darum nicht zu kümmern, denn der im Likör enthaltene Alkohol ist in seiner Fähigkeit zu konservieren einmalig.
Wenn man die Säfte nicht sofort zu Likör verarbeiten kann, und das wird ja meist bei großem Saftanfall im Herbst der Fall sein, muss man sie zunächst haltbar machen. Von den sieben bekannten Methoden kommen drei für uns in Frage. (Entkeimung durch Filtration, Lagerung unter Kohlensäuredruck, Eindickung und chemische Konservierung wollen wir hier nicht besprechen, sie sind der Industrie vorbehalten.
Fabrikationsgeheimnisse / Ansetzgeheimnisse
Natürlich kann man seine Liköre unter einfachsten Umständen und mit simpelsten Küchengerätschaften zusammenmixen. Doch wer dieses schöne Hobby ein wenig ausbauen möchte, der sollte sich schon ein paar Fertigkeiten aneignen und einige „Laborgeräte“ kaufen. Es ist eine einmalige Anschaffung, die aber lohnt und vor allem einen professionellen Anstrich gibt. Trotzdem muss man sich aber klar darüber sein, dass man kaum ganz perfekte Liköre im Haushalt erzeugen wird. Die Industrie verfügt eben doch über sehr komplizierte, teure Maschinen, Apparaturen, Meß- und Analysegerätschaften, über jahrzehntelange Erfahrungen, über geheimnisvolle Rezepturen, die meist nur der Firmeninhaber wahrt, und auch über Rohstoffe, die uns kaum zugänglich oder in kleinen Mengen nicht handelsüblich sind. Dass soll Euch aber nicht entmutigen, da in diesem Fall die Perfektion in den Hintergrund rückt. Viel wichtiger ist, dass unsere Liköre originell sind und uns uns unseren Freunden unvergesslich schmecken.
Ein weiterer Faktor ist die Zeit. Bei vielen Likören muss man sich Zeit lassen oder besser dem Likör Zeit lassen. Manche brauchen oft Wochen oder Monate, ehe sie „reif“ sind und ihr volles und rundes Aroma entwickelt haben. Da heißt es ganz klar geduldig sein und sich hin und wieder auf eine kleine Probe beschränken.
Arbeitsgeräte
Für die verschiedenen Arbeitsvorgänge beim Zusammenstellen der Liköre benötigt man ein paar Gerätschaften. Natürlich kann man sich hier allmählich ein ganzes Labor zusammenkaufen, doch für den Anfang reichen einige wenige Geräte vollkommen aus.
Wiegen, ein Problem?
Das Abwiegen größerer und auch kleinerer Mengen von Zutaten wie Zucker oder Früchten beispielsweise, dürfte in keinem Haushalt zu Schwierigkeiten führen. Eine Haushaltswaage sollte überall vorhanden sein. Meist ist die auf 10 Gramm genau und damit für die meisten Zwecke völlig ausreichend. Kleinere Mengen kann man annähernd genau auch gut mit einer Briefwaage abwiegen. Schwieriger wird es da schon bei Kleinstmengen in Gramm Bereich, etwa 1 Gramm oder ½ Gramm, wie sie bei Kräuterlikören mit vielen Zutaten vielfach benötigt werden. Da man sie aber meist ohnehin nicht in größeren Mengen vorrätig hat, von denen es gilt, eine solche Teilmenge abzuwiegen, muss man hier seinen Lieferanten bemühen. Man muss sich am besten einen Apotheker alter Schule oder einen guten, interessierten Verkäufer suchen, der so etwas gerne macht und nicht nur Medikamente über die Ladentheke reicht.
Wer Spaß am genauen Wiegen hat und vielleicht auch für andere Zwecke eine Waage haben möchte, die bis zu 1/100 Gramm präzise wiegt, der hat die Möglichkeit auf eine Feinwaage zu setzen.
Messen, kein Problem!
Viel einfacher ist es da Flüssigkeiten abzumessen. Die dazu erforderlichen Geräte sind in jedem Geschäft zu bekommen. Für die größeren Mengen besorgt man sich einen Messbecher, am Besten mit entsprechender Stricheinteilung und Ausgießer. Im Grunde würde ein Messbecher für 0,5 l oder 1,0 l vollauf genügen, da man ja im Bedarfsfall mehrfach abmessen kann. Bequemer ist jedoch die Arbeit, wenn man auch noch über einen weiteren mit 2 l Inhalt verfügt. Man sieht dann jederzeit den genauen Stand der bereits gemischten Zutaten.
Für kleinere Mengen, bis zu einem Zehntelliter, verwendet man besser ein sogenanntes Messglas. Das ist ein schlankes zylindrisches Glas mit Milliliter-Einteilung und auch wieder einem Ausgießer. Diese Messgläser gibt es auch mit einem dich abschließenden Stöpsel, so dass man darin durch starkes Schütteln die flüssigen Zutaten auch gleich missen kann.
Wer es ganz genau nimmt, kann sich noch eine Messpipette zulegen. Sie ist speziell zum Abmessen wertvoller Öle und Essenzen geeignet, die nur tropfenweise verwendet werden. Mit einer Pipette für 1 und 5 Milliliter wird man sicher auskommen. Verwendet werden die Pipetten, indem man die Flüssigkeit aus dem Vorratsbehälter ansaugt und dann sofort oben mit einem Finger verschließt. Die Flüssigkeit bleibt somit in der Pipette und läuft erst unten heraus, wenn man den Finger ein wenig lüftet. Auf diese Weise kann man ganz genau dosieren.
Sonstige Geräte
Eine Reihe von Gerätschaften wird man ohnehin im Haushalt zur Verfügung haben. Saftpresse, Dampfentsafter, Zitruspresse, Spätzlepresse (zum Ausdrücken von eingeweichten Kräutern und Gewürzen), Mörser mit Stößel (zum Zerkleinern von Gewürzen und Rinden) gehören dazu. Dann braucht man noch ein paar verschieden große Trichter, notfalls gehen auch Kaffeefilter, Filterpapiere oder –tüten unterschiedlicher Durchlässigkeit, große und kleine weithalsige Glasgefäße, die jedoch absolut dicht verschlossen werden können und auch fest zu sein müssen, damit beim Schütteln nichts herauslaufen und kein Alkohol verdunsten kann.
Einweckgläser, Gummiring und Verschlussklammer oder große Gurkengläser mit Schraubverschluss (natürlich bestens gereinigt und geruchsfrei gemacht) sind ideal hierzu. Selbstverständlich braucht man jede Menge saubere Flaschen und Korken. Beides sollte man fleißig sammeln, damit im Bedarfsfall genügend vorhanden sind. Auch kleine Flaschen (um 0,2 l) sind wertvoll, weil man darin gut Gewürzauszüge u.ä. ansetzen kann.
Messer, Holzbrett zum Schneiden, Plastikschüsseln, Löffel zum Umrühren, verschieden grobe und feine Siebe, all diese Geräte sollte man sich nach und nach für die Likörherstellung speziell anschaffen, damit sie nicht im normalen Küchenalltag untergehen (und auch keine fremden Gerüche annehmen können).
Gut ist auch eine Art „Tagebuch“, in dem man seine eigenen Versuche und Rezepturen notiert und Erfahrungen aufschreibt. Allerdings sollte man auf den verschiedenen Flaschen mit Auszügen und Ansätzen noch Anhänger anbringen (besser keine Etiketten, die man immer wieder mühselig von diesen Arbeitsflaschen abweichen müsste).
Das Aroma zu gewinnen
In vielen Fällen muss man zunächst einmal die Aromen, Farbstoffe, die anregenden Wirkstoffe und auch die Bukettstoffe aus Pflanzen, Drogen, Rinden, Früchten usw. herausziehen, um erst dann mit diesen Auszügen den Likör herstellen zu können. Von den klassischen Methoden werden wir allerdings nicht alle im Haushalt anwenden können. Das spielt jedoch keine so große Rolle. Wir beschränken uns eben auf die leicht durchzuführenden und werden auch ganz ansehnliche Ergebnisse erzielen.
Die Mazeration
Die Mazeration wird auch als „Kaltextraktion“ bezeichnet, was schon um einiges verständlicher ist. Mit reinem Alkohol oder mit einer von Fall zu Fall unterschiedlich hochprozentigen Alkohol-Wassermischungen werden hierbei alle Aromen ausgezogen. Die Kunst besteht darin, möglichst nur jene Stoffe zu gewinnen, die für den zukünftigen Likör vorteilhaft sind. Manchmal sind auch unerwünschte Bestandteile enthalten, die teils bei zu hohem Alkoholgehalt herausgelöst werden, teils aber vom Wasser, weil sie eben nur wasserlöslich sind. In zahlreichen Fachbüchern findet man reihenweise Kapitel, welche sich diesem schwierigen Vorgang widmen. Für uns genügt es, grundsätzlich zu wissen, dass Rohstoffe, die von Hause aus schon Feuchtigkeit in sich tragen (z.B. Zitrusfrüchte, Kerne oder gartenfrische Kräuter) mit 80-96%igem Alkohol angesetzt werden, während Trockensubstanzen (Gewürze, trockene Drogen u.ä.) mit 40-60%igem Alkohol ausgelaugt werden.
Am einfachsten ist es, die auszuziehenden Zutaten mit der Alkoholmischung in eine weithalsige, dicht zu verschließende Flasche zu geben und häufig zu schütteln. Anschließend wird der Auszug gefiltert, und die festen Substanzen werden in einer Handpresse (Spätzlepresse z.B.) kräftig ausgepresst, nachdem sie vorher in Leinen eingepackt wurden.
In einem alten Buch über Likörherstellung habe ich noch eine weitere Art gefunden, bei der man nicht schütteln muss. Die Drogen werden einfach in einen Leinen- oder Mullbeutel eingepackt und so im Glas befestigt, dass sie im oberen Teil hängen. Dann wird die Alkoholmischung dazugegeben, so dass der Beutel darin schwimmt. Da die Auszüge ein höheres spezifisches Gewicht haben, sinken sie nach unten, während an den Beutel immer wieder frischer Alkohol heranfließen kann. Natürlich muss auch hier das Glas absolut dicht abgeschlossen sein. Alle verwendeten festen Stoffen sollten möglichst klein gemahlen, geschrotet oder gemörsert, aber nicht pulverisiert sein, damit der Alkohol schneller in die Zellen eindringen kann.
Jetzt ergibt sich noch die wichtige Frage, wie lange dieser Vorgang dauern soll. Vereinfacht kann man sagen, je frischer und feuchter die Zutaten sind (Zitrusfruchtschalen, frische Kräuter, u.ä.), um so schneller geht es. Meist reichen schon ein paar Stunden oder, wie bei Waldmeister und Pfefferminze, 10 Minuten. Bei vielen Zutaten gehen sonst ziemlich bald raue und bittere, also weniger angenehme Geschmacksstoffe in den Alkohol über. Trockene Gewürze und Drogen dagegen soll man etwa 14 Tage im Alkoholgemisch belassen.
Die Flüssigkeitsmenge soll übrigens etwa 5-10 mal so groß sein wie die Menge der auszuziehenden Substanzen.
Die Digestion
Der Vollständigkeit halber will ich diese Abart der Mazeration erwähnen, die man nur mit einiger Mühe im Haushalt durchführen kann. Die Digestion ist eine Extraktion bei warmen Temperaturen. Dadurch geht der Auszug der Aromen aber nicht nur schneller, sondern es werden auch gewisse Geschmacksstoffe gewonnen, die man sonst nicht erhält.
Hierbei werden die zerkleinerten, auszuziehenden Drogen mit dem Alkoholgemisch in ein luftdicht verschlossenes Gefäß gegeben (z.B. Einweckglas mit Klammer) und mehrere Stunden bis zu einem Tag bei 50-60°C in einem Wasserbad warm gehalten. Dann abfiltern und die Rückstände auspressen wie bei der Mazeration.
Die Perkolation ist die dritte Methode der Mazeration. Hierzu jedoch ist ein spezieller Apparat erforderlich, den es nur für größere Drogenmengen gibt. Die Drogen werden dabei gewissermaßen im Durchlaufverfahren ausgelaugt.
Die Destillation
Das in der Spirituosenindustrie unerlässliche Verfahren, den Alkohol, die Bukettstoffe und andere flüchtige Substanzen in möglichst reiner Form von den vergorenen Maischen oder anderen alkoholhaltigen Grundstoffen wie Wein „abzutrennen“, ist die seit vielen Jahrhunderten bekannte und fast unverändert praktizierte Destillation. Es ist von Gesetzeswegen her verboten, ohne Brennerlaubnis, Alkohol herzustellen. Und eine solche Brennerlaubnis/Genehmigung wird man auch kaum erhalten. Doch selbstverständlich darf man bereits versteuerten Alkohol erneut destillieren, wenn man unter der gesetzlich vorgeschriebenen Destillierapparatgröße bleibt. Dies hat einen besonderen Sinn, wenn man z.B. ätherische Öle und andere wertvolle Aromen, die man mit Alkohol aus Drogen oder Früchten herausgezogen hat, möglichst rein und ohne Nebenstoffe gewinnen will. Den dazu verwendeten Alkohol bekommt man gewissermaßen gleich wieder gratis zurück, während Trübstoffe und unerwünschte Geschmacksstoffe im Ansatz bleiben.
Doch die Destillation ist eine Kunst, die mit einer langen Lehrzeit zu erlernen ist, eine feine Zunge erfordert und auch nur mit einem Destillationsapparat durchgeführt werden kann. Trotzdem ist es möglich, zu Hause zu destillieren, und ich möchte – ohne das Thema in diesem Rahmen erschöpfend behandeln zu können – wenigstens die wichtigsten Voraussetzungen aufzeigen:
Das Destillationsgerät
Destilliergeräte gibt es in allen Größen käuflich zu erwerben. Selbst in der Industrie sind welche im Betrieb, mit denen man kleinste Mengen destillieren kann. Sie werden für Versuchsdestillationen oder zur Alkoholbestimmung verwendet.
Mit einigem Bastlergeschick kann man sich ein solches Gerät auch selbst zusammenbauen. Im Grunde braucht man nur einen Glaskolben, der über einer regulierbaren Flamme (z.B. von einem Bunsenbrenner) steht und dessen nach oben gehende Öffnung durch ein geknicktes Rohr dicht mit einem spiralförmig gewundenen Rohr verbunden sein muss. Das Spiralrohr muss weiterhin gerade oder schräg nasch unten zeigen und von kaltem Wasser umspülbar sein (im Laborbedarfshandel erhält man solche Kühlschlangen fertig, eingeschmolzen in einer größeren Glasröhre mit Wasserein- und –ausgang).
Was wird destilliert?
Es eignen sich bestimmte Drogen- und Fruchtauszüge (mit Alkohol/Wassergemisch oder auch in reinem Alkohol angesetzt), die nach der Mazeration möglicherweise unerwünschte Stoffe enthalten, vor allem starke Bitterstoffe. Nur durch die Destillation kann man die edleren Aromen separat erhalten, und die unangenehm schmeckenden oder riechenden Substanzen gelangen nicht in den Likör. Vielfach sind diese Stoffe allerdings nur in geringen Mengen vorhanden, so dass sie durch den Zucker und andere Elemente im fertigen Likör „zugedeckt“ werden. Man sollte sich also nicht allzu viel Sorgen machen, wenn man nicht destillieren kann, denn meist wird nur der Experte mit geschulter Zunge solche „Unebenheiten“ herausschmecken. Ganz allgemein gesagt: der Ansatz hat zumeist eine Alkoholstärke zwischen 40 und 60 Vol.-% (speziell bei Kräutern), und nur in Ausnahmefällen wird reiner Alkohol verwendet (z.B. bei Harzen).
Wie wird destilliert?
Der Auszug wird so erhitzt, dass Dampf aufsteigt. Es soll dabei nicht stark kochen, sondern eben sieden. Da Alkohol mit den ätherischen Ölen und anderen Geschmacksstoffe eine Lösung bildet, ist auch ihr Siedepunkt gleich dem des Alkohols – also wesentlich niedriger als Wasser. Da der Alkohol also zuerst aufsteigt, können wir mit ihm die wertvollen Stoffe erhalten, auf die es uns ankommt. Extraktstoffe, feste Bestandteile, aber auch Farbstoffe bleiben zurück. Aus dem Kühlrohr tröpfelt schon bald der erste Alkohol/Wassergemisch. Es ist allerdings abhängig vom Alkoholgehalt des Ansatzes, wie viel Alkohol in diesem Destillat enthalten ist; wie die folgende Tabelle zeigt, ist auch der Siedepunkt unterschiedlich. Mit fortschreitender Destillation erhöht sich also die Temperatur des Ansatzes:
Dies sind nur „Werte des Augenblicks“ (ermittelt von Kirschbaum), denn da der Alkoholgehalt im Ansatz durch die zuerst aufsteigenden Alkoholdämpfe ständig abnimmt, wird auch das Destillat immer schwächer (bis schließlich nur noch Wasser herauslaufen würde).
Alkohol im Ansatz |
Siedepunkt |
Alkohol im Destillat |
10 Vol.-% |
93 °C |
56 Vol.-% |
30 Vol.-% |
86 °C |
75 Vol.-% |
50 Vol.-% |
83 °C |
81 Vol.-% |
70 Vol.-% |
81 °C |
86 Vol.-% |
90 Vol.-% |
79 °C |
93 Vol.-% |
Im richtigen Moment muss man deshalb mit der Destillation aufhören. Der Fachmann spricht hier vom Nachlauf, der keinesfalls in das Destillat kommen darf, da er unerwünschte Geschmacksstoffe enthält.
Es empfiehlt sich, hin und wieder eine Probe zu nehmen, und wenn man nicht ganz sicher ist, füllt man eine kleine Flasche nach der anderen und sondert später die ungeeigneten letzten davon aus. (Im Großen wird das auch so gemacht, indem immer, wenn der Alkoholgrad um 5% abgesunken ist, ein neues Gefäß untergestellt wird. Man nennt diese Fraktionen und entschiedet später, welche davon zum sogenannten Mittellauf oder Herzstück vermischt werden können.)
Wenn Ihr nun wissen möchtet, wie hochprozentig das Destillat ist, das da aus der Brennblase tröpfelt, so gibt es ohne komplizierte Methoden (die natürlich ganz genau sind) nur die Alkoholspindel (Aräometer). Man taucht sie in die Flüssigkeit und kann an einer Skala ablesen, wie viel Prozent enthalten sind. Das geht aber eben nur bei Destillaten, in denn noch keine sonstigen Stoffe enthalten sind.
Aräometer gibt es mit verschiedenen Gradeinstellungen (Alkoholbereichen), und sie haben eigentlich nur einen Sinn, wenn man auch genügend Destillat zur Verfügung hat, um den Messvorgang durchführen zu können. Die Spindel muss nämlich im Zylinderglas frei in der Flüssigkeit schweben. Wer übrigens nicht zufrieden ist mit dem ersten Destillat, der kann es ohne weiteres noch ein zweites oder drittes Mal destillieren. Immer wird ein höherprozentiges Ergebnis dabei rauskommen.
Über das Thema „Destillation“ sind viele Fachbücher verfasst worden. An dieser Stelle noch tiefer in diese Materie einzusteigen, würde das eigentliche Thema zu sehr verdrängen. Wenn Ihr diesbezüglich mehr erfahren wollt, besorgt euch die entsprechende Spezialliteratur.
Die Arbeitstechnik
Eine sehr große Kunstfertigkeit ist zwar bei der Herstellung von Likören im Haushalt nicht erforderlich, doch es ist gut, ein paar Handgriffe und Tricks zu kennen.
Aufbewahrung
Grundsätzlich sollten alle Flüssigkeiten, die in irgendeiner Form für die Likörbereitung benötigt werden, gut verschlossen aufbewahrt werden. In dem Augenblick, wo schon Alkohol enthalten ist oder wo es sich sogar um reinen Alkohol oder hochprozentige Spirituosen handelt, ist auf den Verschluss besondere Sorgfalt zu legen. Die Flaschen oder anderen Behältnisse müssen absolut luftdicht verschlossen sein, da Alkohol sich besonders leicht und schnell verflüchtigt. Während man Flaschen leicht zukorken oder zuschrauben kann (achtet stets auf eine dichte Kunststoff- oder Korkeinlage im Schraubverschluss), ist es bei Behältern mit einer großen Öffnung schon ein wenig schwieriger, diese dicht zu bekommen. Wenn man keinen passenden Deckel oder Schraubverschluss hat, deckt man die Gläser am besten mit einer starken Kunststoff-Folie (z.B. Gefrierbeutel) ab und verschnürt sie fest mit einem starken Faden. Während der längeren Lagerzeit unserer fertigen Liköre oder wenn sie eine Reifezeit durchlaufen müssen, ist es besser, sie dunkel aufzubewahren. Wer keinen dunklen Keller oder Lagerraum hat, kann sie gut in Stanniolfolie (Alufolie) oder zwei bis drei Lagen Zeitungspapier einschlagen. Dabei sollten sie aber stehen (wie alle Spirituosen), damit der Korken nicht vom Alkohol angegriffen werden kann.
Filtern tut not
Nur selten werden unsere Liköre von Hause aus kristallklar sein. Etwa, wenn wir schon klare Substanzen vereinen oder wenn wir fertige Spirituosen mit Aromaauszügen und Zuckerlösung mischen. Meist aber sind Trübteilchen von den Früchten oder Gewürzen enthalten, die das „Bild“ doch erheblich stören können. Bei Crèmelikören oder Emulsionslikören, aber auch bei tief dunklen Bitter- und Gewürzlikören spielt dies keine große Rolle, man kann ja eh nicht durch schauen. Alle durchsichtigen Liköre aber sollten möglichst klar sein. Eine Methode, Liköre klar zu bekommen, ist das Absetzen lassen und anschließende Abziehen vom Bodensatz. Nach einer mehr oder weniger langen Lagerzeit haben sich bei vielen Mixturen alle schweren Trübteilchen am Boden abgesetzt. Man kann nun vorsichtig den klaren Teil abgießen, doch nur allzu bald werden auch die Flocken aufgewirbelt und der Erfolg ist nicht allzu groß. Den Rest müsste man in jeden Fall filtern.
Viel gründlicher geht es mit einem etwa 70cm langen, ca. 5mm dicken Schlauch (am besten aus Kunststoff). Man hält ihn zunächst bis etwa zur Hälfte in den klaren Teil der Spirituose, saugt an, bis der Likör am Mund ist, drückt nun den Schlauch zusammen, leitet ihn in eine tieferstehende leere Flasche und lässt dann den Likör fließen. Auf diese Weise kann man nun genau beobachten, wann die Trübteilchen an der Reihe wären, den Schlauch immer tiefer stecken und den Vorgang, durch Zusammendrücken des Schlauches im richtigen Moment, unterbrechen.
Wenn diese Methode nicht ausreichend ist, filtriert man den Likör. Für nicht zu stark mit festen Substanzen durchsetzte Liköre genügt ein normaler Kaffeefilter, den man evtl. mehrmals austauschen muss, wenn er zugesetzt ist. Sonst nimmt man ein sauberes, dichtes Leinentuch, mehrere Lagen Mullstoff oder besser Filterpapier aus dem Fachgeschäft für Laborbedarf. Man bekommt sie in verschiedener Durchlässigkeit. Manchmal kann es recht lange dauern, bis ein Likör durchgelaufen ist. In solchem Fall ist ein großer Trichter zweckmäßig, damit man nicht allzu oft nachgießen muss. (Den Trichter sollte man abdecken.) Und noch ein kleiner Trick: bei dicken und klebrigen Flüssigkeiten (etwa einer Zuckerlösung o.ä.) legen sich Filterpapier oder Leintuch oft so dicht an die Trichterwand an, dass die Flüssigkeit nur ganz unten am Trichterausgang die Möglichkeit hat auszulaufen. Hier sollte man gefaltete Filtertüten verwenden oder zwischen Trichterwand und Filter ein paar kleine Hölzchen oder Stricknadeln stecken.
Manche Liköre wird man kaum glanzklar bekommen. Sie bleiben trübe oder opalisierend auf Grund von schwerlöslichen ätherischen Ölen, Harzen, etc. Mit technischen Hilfsstoffen wie Kieselgut, gebrannter Magnesia, Asbestflocken oder geschlagenem Eiweiß hilft man sich in der Industrie, denn trübe Liköre wären kaum verkäuflich. Diese Stoffen binden auch die winzigsten Schwebeteilchen an sich uns bei der späteren Filterung bleiben sie im Filter. Wenn Ihr einen solchen Versuch unternehmen wollt, empfiehlt es sich, pro Liter Flüssigkeit etwa einen Esslöffel steig geschlagenes Eiweiß mit dem Schneebesen in den Likör einzuschlagen. Dann den Likör einige Tage stehen lassen und filtern. Aber Achtung, diese Methode kann den Geschmack des Likörs eventuell minimal Beeinflussen.
Das Auge trinkt mit
Oft wird es vorkommen, dass der selbst bereitete Likör eine eigenwillige oder, genauer gesagt, gar keine definierbare Farbe hat. Da aber das Auge bekanntlich mittrinkt, sollten wir der Natur ein wenig nachhelfen. Künstliche Farbstoffe wollen wir jedoch nach Möglichkeit nur in Ausnahmefällen verwenden, wenn überhaupt (z.B. beim Pfefferminzlikör). Auch wenn man schon mit zwei bis drei Tropfen einen Likör optisch völlig verwandeln kann. (Empfehlenswert sind McCormick-Speisefarben, die es in Gewürzläden gibt.) Auch mit den folgenden Farben sollte man schrittweise vorgehen, denn oft sind diese recht intensiv. Also zunächst in die durchsichtige Flasche nur ein paar Tropfen geben und dann nach und nach immer mehr, bis der gewünschte Farbton erreicht ist.
Fruchtliköre
Die Fruchtliköre spielen bei der häuslichen Likörherstellung eine besonders große Rolle. Fast alle heimischen Früchte und auch viele Südfrüchte sind dazu wie geschaffen, um aus ihren Säften oder den in der Schale sitzenden Aromastoffen ansprechende Liköre herzustellen.
In den gesetzlichen Bestimmungen werden zwei Arten von Fruchtlikören unterschieden. Da sind einmal die Fruchtsaftliköre, die, wie der Name schon sagt, aus Fruchtsäften hergestellt werden. Genau ist dabei festgelegt, wie viel Saft, wie viel Extraktstoffe (überwiegend der Zucker und ein paar „feste“ Bestandteile aus dem Saft und aus den Gewürzen) und wie viel Alkohol enthalten sein müssen. Wir brauchen uns natürlich nicht an diese Bestimmungen zu halten. Der Vollständigkeit halber seien sie aber erwähnt: Ein Fruchtsaftlikör muss mindestens 20% Saft der Frucht, nach der er benannt ist, enthalten; weiterhin mindestens 25 Vol.-% Alkohol und mindestens 22g Extraktstoffe je 100ml Likör (ist dieser Extraktgehalt geringer, muss der Alkoholgehalt auf 32 Vol.-% erhöht werden).
In vielen Fällen wird es sich bei den Fruchtsaftlikören einfach um eine harmonische Mischung von Fruchtsaft, Zuckersirup (der Dickflüssigkeit zuliebe eventuell mit 15% Glukosesirup gemischt) und Alkohol oder einem aus der gleichen Frucht destillierten Geist oder Wasser handeln. Ein gewisser Zusatz z.B. von Kirschwasser zum Kirschlikör oder von Himbeergeist zum Himbeerlikör wird sich in jedem Fall geschmacklich positiv auswirken.
Bei anderen Fruchtsaftlikören wird man zunächst die Früchte oder das Fruchtfleisch eine Zeitlang in Alkohol einlegen, um möglichst viele Aromastoffe zu gewinnen, ähnlich wie man es übrigens auch bei den Fruchtaromalikören tut. Diese Fruchtaromaliköre werden überwiegend aus den aromatischen Auszügen solcher Früchte hergestellt, die besonders viele aromatische Bestandteile in den Schalen haben, aber auch aus solchen Früchten, die zwar saftarm, dafür aber aromastark sind (Bananen, Birnen, Hagebutten u.ä.).
Auch hier noch die gesetzlichen Vorschriften: Fruchtaromaliköre müssen ihren charakteristischen Geschmack aus Früchten oder Fruchtteilen erhalten, nach denen sie benannt sind. Der Alkoholgehalt muss 30 Vol.-% betragen, bei 22g Extraktstoffe je 100ml. (Ist dieser Extraktgehalt niedriger, muss auch hier der Alkohol auf 32 Vol.-% erhöht werden.) Bei Zitruslikören ist noch die Bezeichnung „Triple“ oder „Triple sec“ erlaubt, wenn 35 Vol.-% Alkohol im Likör enthalten sind.
Kräuterliköre und Bittere
Der Zuckergehalt dieser Liköre geht vielfach soweit zurück, dass man gar nicht mehr von Likören sprechen kann. Man nennt die Erzeugnisse in diesen Fällen Bittere, und tatsächlich sind die Bitterstoffe auch so vorherrschend, dass sie eher eine fast medizinische Wirkung haben, als einen vollendeten Genuss auf der Zunge darzustellen. Diese Bitteren sind sehr beliebt und je bitterer sie sind, um so (vermeintlich) besser sind sie auch. Doch auch die fast unübersehbare Palette der Kräuterliköre und Halbbitter hat einen festen Freundeskreis, wie die hohen Absatzzahlen der einschlägigen bekannten Marken belegen.
Über die Beschaffung der Zutaten habe ich schon einiges im Einleitungsteil berichtet, hier sei nur angemerkt, das es unzählige Rezepturen gibt. Kein Kräuterlikör oder Bitterer gleicht dem anderen, und jedes der bekannten Rezepte hat andere Zutaten (oft bis zu 100) und andere Gewichtungsverhältnisse der Drogen und Gewürze. Man muss deshalb auch die Rezepturen nicht so eng auslegen und nun unbedingt aufs Gramm genau achten. Kaum jemand wird in der Lage sein, später genau herauszuschmecken, was im einzelnen in den Auszügen steckt.
Ich habe auch darauf hingewiesen, dass die Beschaffenheit frischer Drogen und Kräuter Vertrauenssache ist und dass man an allen Zutaten, aus denen sich die wertvollen Bestandteile schon verflüchtigt haben, wenig Freude haben wird. Ein Problem ist auch die Beschaffung der erforderlichen kleinen Mengen. Oft sind es nur wenige Gramm, ja manchmal nur ein halbes Gramm.
Gewürzliköre
Einige Gewürze aus der großen Vielfalt sind vorzüglich geeignet, zusammen mit den anderen wichtigen Bestandteilen Alkohol und Zucker, „wohltuende“ Liköre daraus zu brauen. Das können sowohl reinrassige Liköre sein, wie z.B. Vanillelikör oder auch gemischte, wie das Danziger Goldwasser.
An anderer Stelle habe ich schon einiges über Gewürze gesagt. Anzumerken ist noch, das Gewürzliköre – sicher zu Unrecht – ein wenig in Vergessenheit geraten sind. In einem meiner Fachbücher findet man als Grund dafür die Angabe, dass sie „heute infolge einer veränderten Geschmacksrichtung des Publikums nur noch von untergeordneter Bedeutung sind“. Dies mag vielleicht für Angelika-, Ingwer-, Muskat-, Nelken- oder Zimtlikör zutreffen, bestimmt aber nicht für Anisliköre wie Pernod und Raki, die sich immer noch größter Beliebtheit erfreuen (ihres starken Aromas wegen allerdings mit Wasser verdünnt getrunken werden).
Die „besonderen“ Liköre
Unter diesem etwas weitreichenderen Begriff möchte ich alle Liköre einordnen, die nicht zu den Frucht- oder Kräuterlikören gehören, und die auf Grund ihrer Art oft nicht alltäglich sind. Da haben wir einmal die „anregenden“ Liköre, in denen Kaffee, Tee und Kakao verarbeitet wurden. Speziell das Koffein tut hier zu der bekannten Wirkung des Alkohols ein übriges und macht die Liköre zu wahren Wohltätern. Teelikör ist z.B. recht unbekannt, kann aber ausgezeichnet schmecken.
Weiterhin gehören Nuß- und Mandelliköre dazu, die in den letzten Jahren viele Freunde gewonnen haben. Nicht zuletzt wohl auch wegen der unübersehbaren Werbung der einschlägigen Spirituosenindustrie Italiens für diese Likörvarianten.
Wer kennt nicht den Honiglikör, der meist nach alten ostpreußischen Rezepten unter dem Namen „Bärenfang“ hergestellt wird. Immerhin sind bei Industrieerzeugnissen 25kg Honig auf 100 l Likör vorgeschrieben. Davon erhält der leicht herzustellende Likör sein ganz typisches Aroma.
Ein größeres Feld nehmen schon die Emulsionsliköre ein, speziell Eierlikör, der bei uns zu den beliebtesten Likören überhaupt zählt. Bei Varianten spielen auch noch Sahne, Schokolade, Nougat und Mokka eine Rolle. Immer aber sind diese Liköre besonders dickflüssig. Man kann sie meist recht einfach „mixen“, allerdings sind sie auch nicht ewig haltbar und setzen gerne Eiöl ab oder entmischen sich. Doch wenn sie gut sind, werden sie erfahrungsgemäß ohnehin in kürzester Zeit ausgetrunken.
In den gesetzlichen Vorschriften findet man als besonderen Likör immer noch den Cordial Médoc. Ein Likör, der früher recht bekannt war, der aber heute keine große Bedeutung mehr hat. Es ist ein sogenannter „Weinhaltiger Likör“.
Alkoholberechnung
Wer gerne rechnet und Spaß daran hat, den Alkoholgehalt seiner selbstbereiteten Liköre wenigstens annäherungsweise zu wissen, kann mit den folgenden Berechnungsmethoden arbeiten: